Es war irgendwann im letzten Jahrtausend, und ich saß mit meinem besten Freund im Nachtclub des Bayrischen Hofs. Vor uns eine Szene, wie sie aus einem Film stammen könnte: Glänzendes Parkett, leise Gespräche, das Klirren von Gläsern – und auf der Tanzfläche zwei Paare. Mein Freund, ein Pilot ohne jede Verbindung zur Welt des Tanzens, musterte die Szene aufmerksam.

Die beiden Paare waren wie Tag und Nacht. Das eine, offensichtlich seit Jahren Stammgast in einer Tanzschule, tanzte konzentriert, mit Präzision und Technik. Das andere? Sie bewegten sich völlig unkonventionell, aber mit einer Leichtigkeit, die schwer zu fassen war. Als Profi sah ich, dass die beiden noch nie in einem Tanzkurs waren, aber man sah den beiden ihren Spaß deutlich an.

Nach einer Weile brach mein Freund die Stille. Er lehnte sich zu mir und sagte mit einem kleinen Lächeln: „Die sehen aber gut aus!“.

Ich erstarrte. Die Worte hätten genauso gut ein Donnerschlag sein können. Denn obwohl ich damals bereits seit fast zehn Jahren Tanzlehrer war, wusste ich sofort, dass er nicht das Tanzschul-Paar meinte. Er meinte die anderen zwei.

Das traf mich wie ein Bus. In diesem Moment wurde mir klar, dass mein Ansatz als Tanzlehrer nicht ausreichte. Ja, ich konnte meinen Paaren Technik und Schritte beibringen. Aber was fehlte, war die Magie. Diese unsichtbare Verbindung, die Tanzpaare wirklich gut aussehen lässt – nicht, weil sie perfekt tanzen, sondern weil sie entspannt, glücklich und authentisch wirken.

Das war der Wendepunkt. Von diesem Abend an begann ich, meinen Unterricht radikal zu hinterfragen. Ich beobachtete Paare und Tänzer*innen – nicht nur ihre Füße, sondern vor allem ihre Gesichter. Ich wollte verstehen, was sie zum Strahlen brachte. Und ich begann, meinen Unterricht so zu gestalten, dass Tanzen nicht nur eine Technik, sondern ein Erlebnis wurde.

Ein neues Kapitel: Das Erbe aus 60 Jahren Münchner Tanzgeschichte

2008 stellte mich das Leben vor die nächste große Herausforderung. Durch eine glückliche Fügung übernahm ich „das DT“, die traditionsreiche Tanzschule am Deutschen Theater in München. Ein Ort, an dem seit 1949 Tanzgeschichte geschrieben wurde. Meine Vorgänger – Thea Sämmer, Peps Valenci und Helfried Geißler – hatten den Laden geprägt und immer ihre Zeit vorausgedacht. Doch ich wusste: Meine Vision von Tanzunterricht war... anders. Und eine große Veränderung wurde uns aufgezwungen, denn wir verloren nach fast 60 Jahren unser Stammhaus am Deutschen Theater.

Ich hatte ein klares „Zielfoto“ im Kopf: Paare, die locker, authentisch und glücklich auf der Tanzfläche stehen. Keine starren Bewegungen, keine unnötige Komplexität – nur das pure Vergnügen am Tanzen. Aber die Umsetzung dieser Vision war alles andere als einfach. Es war, als würde ich einen alten Dampfer auf einen völlig neuen Kurs bringen.

Der Lohn der Mühe: Ein neues Lebensgefühl auf den Tanzflächen

Heute, viele Jahre später, erfüllt es mich mit Stolz und Dankbarkeit, zu sehen, was wir erreicht haben. Das Feedback unserer Gäste zeigt mir, dass sich die Mühe gelohnt hat. Paare, die sich früher unsicher fühlten, bewegen sich heute mit Leichtigkeit und einem Lächeln, das alles sagt.

Doch meine Mission endet nicht hier. Ich berate inzwischen Tanzschulen in ganz Deutschland und Österreich, um die Idee von entspanntem und natürlichem Tanzen weiterzutragen. Denn mein Traum ist es, überall Paare zu sehen, die nicht nur tanzen, sondern wirklich tanzen leben.

Und wenn ich heute an diesen Abend im Bayrischen Hof zurückdenke, weiß ich: Es brauchte diesen Moment der Erkenntnis, diesen kleinen Stich ins Ego, um mich auf den Weg zu machen. Es war der Anfang einer Reise, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Und wer weiß – vielleicht bist du der nächste Teil dieser Geschichte.